St. Laurentius Erfurt

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Fastenpredigt – „Palmsonntag“ – 21.02.2021 (Severi)


Liebe Schwestern und Brüder!
Wie bereits in der Statio gesagt: In den diesjährigen Fastenpredigten wollen
wir auf das österliche Geheimnis schauen. Im Betrachten des Weges Jesu,
mit seiner Hingabe, seinem Tod und seiner Auferstehung, wollen wir unsere
Beziehung mit Jesus Christus stärken. Darin wollen wir Trost und Hoffnung,
Halt und Orientierung für die gegenwärtige Situation finden, um mit dieser
leben zu können.
Heute beginnen wir also mit dem Palmsonntag. Dabei möchte ich zunächst
einige geschichtliche Aspekte anmerken. In diesem Teil habe ich Anregun-
gen von Stephan Wahle (Prof. für Liturgie in Freiburg) genutzt. In einem
zweiten Teil möchte ich dann mit Ihnen auf das Prozessionsgeschehen des
Palmsonntags blicken und darin drei Impulse für unseren christlichen Glau-
ben erschließen. Hier greife ich auf Betrachtungen vom em. Papst Benedikt
XVI. zurück.
Geschichte des Palmsonntags
Schauen wir also auf die Geschichte. Die liturgische Feier des Palmsonnta-
ges verbindet zwei Aspekte des Österlichen Geheimnisses: Den königlichen
Einzug Jesu in Jerusalem und die Verkündigung der Passion des Herrn. In
der alten römischen Liturgie gab es keine festliche Prozession, die des Ein-
zuges Jesu in Jerusalem gedachte.
In ihrer Ursprünglichkeit gedachte sie nur dem Leiden Jesu und betonte vor
allem dabei das Paschamysterium, als die Lebenshingabe Jesu. Der ein-
drückliche Ritus der Einzugsprozession kommt vermutlich aus der Jerusa-
lemer Gemeinde. Eine gewisse Egeria, eine spanische Nonne, beschreibt in
ihren Aufzeichnungen von einer Heilig-Land-Pilgerreise im Jahre 381-383
folgendes. Zum Palmsonntag fand eine nachmittägliche Versammlung des
Volkes auf dem Ölberg statt. Nach dem feierlichen Wortgottesdienst zog das
gläubige Volk mit dem Bischof in feierlicher Prozession und mit kräftigen
Hosanna-Gesängen in die Stadt Jerusalem zur Auferstehungskirche. Dabei
wurden die Schilderungen der Evangelisten lebendig, die ja beschrieben ha-
ben, wie Jesus festlich in die Stadt einzog. Nicht nur die Nonne Egeria war
im Heiligen Land, nein es gab damals viele Heilig-Land-Pilger, die dann die-
sen Brauch in die westliche Kirche miteinbrachten.
Am Ende des 8. Jahrhunderts wurde dann dieser Brauch zunächst im frän-
kisch-germanischen Raum erstmalig bezeugt. Später gestaltete sich die be-
sonders eindrucksvolle Stationsliturgie in den mittelalterlichen Städten. Am
Morgen des Palmsonntags versammelten sich die Gläubigen in einer Kirche
außerhalb der Stadt. Es wurden zunächst Palmzweige als Zeichen des Sie-
ges Jesu über den Tod gesegnet. Auch Olivenzweige als Zeichen der
Barmherzigkeit und des Friedens wurden mancherorts mitgetragen. Außer-
halb des Mittelmeerraumes, wo es keine Palmen oder Olivenzweige gab,
wurden grünende oder blühende Zweige, wie Buchsbaum oder Weidenkätz-
chen zur Prozession mitgeführt. Bei der feierlichen Prozession dann zur
Hauptkirche wurden dann das Evangelienbuch und das geschmückte Kreuz
mitgetragen. Aber hier und da wurde auch ein sogenannter „Palmesel“, eine
hölzerne Nachbildung Jesu auf einem Esel, mitgezogen.
Die feierliche Prozession und das Gedenken des Leidens des Herrn: Beide
Aspekte prägen auch heute die Feier des Palmsonntages. Da wir in einer
der nächsten der Fastenpredigen auch den Karfreitag bedenken, also ganz
konkret auf das Leiden Jesu schauen, möchte ich jetzt im zweiten Teil be-
sonders die Prozession in den Blick nehmen und darin Impulse für unseren
Glaubensweg erschließen.
Die Palmsonntagsprozession – Drei Impulse
Wenn wir den Palmsonntag feiern und an der Prozession teilnehmen, dann
sind wir dabei wie die Jünger, die Jesus, als ihren Herrn, in die Stadt Jerusa-
lem geleiten. Wie sie Jesus für alles loben und preisen, was er den Men-
schen getan hat, so kann auch in unseren Jubel all das einfließen, was Je-
sus uns geschenkt hat. Es geht um die Wunder, die Jesus einem jeden ein-
zelnen zu Teil hat werden lassen, welche sein Leben reich und schön ge-
macht haben. Es klingt aber auch die Erfahrung von Versöhnung und Barm-
herzigkeit an, die aus dem Leben mit Jesus erwachsen können. Die Prozes-
sion ist zuallererst ein festliches Bekenntnis zu Jesus, in dem Gott uns seine
Liebe gezeigt hat.
Im Lukasevangelium gestaltet der Evangelist den Einzug Jesu fast wörtlich
nach dem Königsritual aus dem Buch der Könige. In der Lesung haben wir
es gehört, wie König David seinen Sohn Salomo zum König von Israel be-
stellt. Mit diesem Verweis wird die Prozession auch zu einer Königsprozes-
sion: Wir bekennen uns zu Jesus Christus als unseren König, als den König
des Friedens und der Gerechtigkeit.
In der Liturgie des Palmsonntages werden die Gläubigen nach dem Hören
des Evangeliums zur Prozession eingeladen mit den Worten: „Liebe
Schwestern und Brüder! Wie einst das Volk von Jerusalem Jesus zujubelte,
so begleiten auch wir jetzt den Herrn und singen ihm Lieder.“ Mit dieser li-
turgischen Einladung, erkennen alle, die bei der Prozession mitgehen, Jesus
als ihren König an. Für uns bedeutet dies mit ihm zu leben, ihm zu trauen,
nach seinem Wort Tag für Tag zu handeln. Diese Anerkennung Jesu
schenkt uns Freude und lässt uns jubeln.
+ Impuls: Nachfolge
Mit dem Stichwort Nachfolge können wir nun das eben gesagte über die An-
erkennung vertiefen. Schauen wir auf die Nachfolge, was macht diese aus?
Blicken wir zuerst auf die Jünger. Bei ihnen hatte das Wort Nachfolge einen
ganz einfachen Sinn. Sie hatten sich entschlossen, ihren Beruf, ihr Geschäft,
ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Sie wollten einfach mit Jesus ge-
hen. Sie wurden Jünger. Dabei vertrauten sie sich ganz ihm an und folgten
seiner Führung. Dabei hatte ihre Nachfolge etwas Äußerliches und etwas
Innerliches. Das Äußerliche zeigte sich im Nachgehen Jesu auf seinen
Wanderungen durch das damalige Land Palästina. Das Innerliche zeigte
sich in ihrer existentiellen Neuorientierung. Dabei stand nicht das Leben im
Geschäft, der Broterwerb, das eigene Wollen im Mittelpunkt, sondern das
Weggeben des eigenen Willens an einen anderen. Der neue Lebensinhalt
bestand darin für sie mit Jesus zu leben. Was das für jeden Einzelnen be-
deutete, davon berichten die Evangelien ausführlich.
Auf diesem Hintergrund können wir erahnen, was Nachfolge heute bedeutet
und welche Botschaft der Palmsonntag dabei mit für uns hat. Bei der Nach-
folge geht es um eine innere Verwandlung der Existenz. Es geht darum,
dass ich nicht mehr in mein ICH eingeschlossen bin und meine Selbstver-
wirklichung als meine hauptsächlichen Lebensinhalt annehme. Es geht da-
rum, dass ich mich frei gebe an einen anderen hin – für die Wahrheit, für die
Liebe, für Gott, der mir in Jesus Christus vorausgeht und den Weg zeigt.
Diese Einladung zur Nachfolge, das Mitgehen mit Jesus, das schwingt mit,
wenn wir am Palmsonntag den Einzug Jesu nach Jerusalem feiern.
+ Impuls: Ausschau halten nach Gott
Während der Prozession werden Lieder gesungen oder auch Psalmen rezi-
tiert. Die Liturgie schlägt zum Beispiel vor, den Psalm 24 zu nutzen. Dieser
Psalm wurde im alten Israel gesungen, wenn sich eine Pilgergruppe zum
Tempelberg aufmachte. Dabei interpretiert der Psalm den inneren Aufstieg,
dessen Bild das äußere Hinaufsteigen sein soll, und legt uns damit noch
einmal aus, was Aufsteigen mit Christus bedeutet.
„Wer darf aufsteigen zum Herrn“, fragt der Psalm und nennt dann zwei we-
sentliche Bedingungen dafür. Die Aufsteigenden, die wirklich nach oben, in
die wahre Höhe kommen wollen, müssen Menschen sein, die nach Gott fra-
gen und nach ihm Ausschau halten. Es müssen Menschen sein, die sein
Angesicht suchen. Hier finden wir eine wichtige Botschaft an uns Menschen
heute: Sich nicht einfach dahin treiben zu lassen. Nicht zufrieden mit dem zu
sein, was alle denken, sagen und tun. Ausschau halten nach Gott bedeutet:
Die Frage nach Gott nicht versickern zu lassen, sondern das Verlangen in
uns nach dem Größeren wachzuhalten. Die zweite Bedingung des Psalms
ist diese. Am heiligen Ort darf der stehen, dessen Hände rein sind und des-
sen Herz lauter ist. Reine Hände meint dabei, dass die Hände nicht zur Ge-
walttätigkeit, zur Korruption für Bestechung gebraucht werden. Lautere Her-
zen werden sichtbar, wenn sie frei sind von Lüge und Heuchelei, wenn sie
sich nicht dem Rausch des Vergnügens hingeben.
Im Mitgehen bei der Prozession zum Palmsonntag, Im Mitfeiern des Palm-
sonntag finden wir diesen Impuls: Wir halten Ausschau nach Gott. Dabei
geht es um die Frage nach Gott. Diese sollen wir lebendig und wach halten.
Und diese Ausschau nach Gott gelingt, wenn wir uns bekehren und unseren
Weg mit Gott, mit reinen Händen und lauteren Herzen gehen.
+ Impuls: Gott begegnen
Der Aufstiegspsalm endet mit den Worten: „Macht hoch die Tür, die Tür
macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit.“ Dies ist eine Torliturgie am
Eingang des Tempels.
In früheren Liturgien des Palmsonntages wird berichtet, dass beim Ankom-
men am Kirchengebäude der Priester mit dem Vortragekreuz mächtig an die
verschlossene Kirchentür, die sich auf das Pochen des Kreuzes hin auftat.
Mit diesem Ritus zeigte sich ein schönes Bild für das Geheimnis Jesu: Jesus
selbst klopft mit dem Stab seines Kreuzes, mit der Kraft seiner verschen-
kenden Liebe an das Tor Gottes. Er kommt dabei aus einer Welt, die den
Zugang zu Gott nicht finden konnte. Mit seinem Kreuz hat Jesus die Tür
Gottes, die Tür zwischen Gott und den Menschen weit aufgestoßen. Sie
steht offen. Auf der anderen Seite klopft Jesus aber auch die Türen der
Menschen an, die für Gott verschlossen sind. Er klopft bei den Menschen an
in dem er auf seine Hingabe verweist. Ich habe mein Leben verschenkt und
gegeben, damit ihr den Weg zur Gemeinschaft mit Gott findet.
In der Feier des Palmsonntages wird dem Menschen der Blick für die Ge-
genwart mit Gott aufgezeigt. Und diese findet der, der mit Jesus mitgeht und
sich von ihm durch seine Auferstehung verwandeln lässt. Der Palmsonntag
öffnet den Blick für die Begegnung mit dem Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder,
aus zwei Blickwinkeln haben wir auf den Palmsonntag geschaut: aus dem
Blickwinkel der Geschichte und mit dem Blick auf die Prozession dieses
Festtages. Wir fragen nach dem, was uns heute, in der derzeitigen Corona-
zeit Trost und Halt gibt. Trost und Halt finden wir bei Jesus selbst. Er geht
seinen Weg, schenkt sein Leben für die Menschen, damit sie dem verborge-
nen Gott begegnen können. Für diesen Weg steht der Palmsonntag mit der
feierlichen Form der Prozession. Dabei gibt uns dieser Tag diese Hilfen und
Impulse mit:
+ Trost und Halt finden wir, wenn wir ihm nachfolgen und vertrauen.
Wenn wir uns zu ihm bekehren und darauf hoffen, dass ein Leben mit
ihm befreit aus der Begrenzung des Lebens und zur Fülle mit Gott
führt.
+ Trost und Halt finden wir, wenn wir in uns die Frage nach Gott leben-
dig und wach halten. Wenn wir nach ihm ausschauen und entdecken
wo er sich heute uns zeigt.
+ Und Trost und Halt finden wir, wenn wir ihm begegnen. Durch die
Pandemie sind uns unserer klassischen Begegnungsorte mit dem ver-
borgenen Gott abhandengekommen.
- Die Ausschau und die Frage nach Gott gibt uns daher zur Aufgabe
mit, Gott eben dort zu entdecken, wo er sich uns auf neue und uns
nicht bekannte Weise zeigt.
„Hosanna dem Sohne Davids.“ Möge der Ruf der Palmsonntagsprozession
uns allen Hoffnung und Zuversicht schenken. Möge er uns aber auch die
Kraft schenken, Trost und Halt bei Jesus zu finden. Jesus, der uns einlädt
zur Nachfolge, zum Ausschauhalten nach Gott und der uns zur Begegnung
mit Gott selbst führen möchte. Amen.


Verwendete Literatur:
- Stephan Wahle, Schott für die Kar- und Osterwoche, Freiburg 2021, S. 16ff*.
- Benedikt XVI:, Liebe die den Tod besiegt, Regensburg 2008, S. 9 bis 15.

Bild: Christine Limmer
In: Pfarrbriefservice.de