Liebe Schwestern und Brüder!
„Wer glaubt, zittert nicht!“ Man könnte meinen, dieser Spruch ist von Papst Franziskus. Nein, er ist von Papst Johannes XXIII. Er hat ihn den Menschen zugerufen, um deutlich zu machen, welche Kraft der Glaube geben kann. Der gleiche Papst, der noch als Erzbischof seine Lieblingstante begraben hatte, sagte auf dem Weg vom Friedhof nach Hause zu seinem Sekretär: „Hoffentlich ist nicht alles nur ein Illusion!“
Bemerkenswert: Ein Erzbischof, der später Papst wird, ist einmal felsenfest sicher und überzeugt, dass der Glaube die Angst überwindet. Ein andermal ist er unsicher. Diese Ambivalenz erleben wir gerade auch in diesen Tagen der Coronakrise. Wir feiern Ostern und glauben der Botschaft der Auferstehung. Ein andermal befällt auch uns der Zweifel, gerade aufgrund der Erfahrung der derzeitigen Problemlage in unserem Land und darüber hinaus.
Die Aussagen von Papst Johannes XXIII. mit seinem Glauben, aber auch mit seinem Zweifel, führen uns zum Apostel Thomas. An jedem Zweiten Ostersonntag hören wir im Evangelium seine Geschichte (Joh 20,19-31). Die Abbildung aus der Kirche Santo Domingo de Silos in Nordspanien zeigt uns die vertraute Szene. Wenn wir sie hören oder lesen, dann wird sehr deutlich, dass die Begegnung mit Jesus den Thomas wandelt und zum Glauben führt. Zunächst jedoch die Frage: Wie reagiert Thomas auf die Osterbotschaft, die die anderen Jünger erzählen? Thomas sondert sich nicht von den Jüngern ab, äußert auch keinen Zweifel, sondern er stellt einfach nur Bedingungen für seinen Osterglauben. Er will sich nicht mit einem Glauben„aus zweiter Hand“ zufriedengeben, sondern selber sehen und fühlen. Und Jesus? Er nimmt das Anliegen des Thomas ernst und geht auf seine persönliche Glaubensgeschichte ein. Thomas darf Jesus seinen Zweifel und seine Fragen hinhalten und Jesus zeigt ihm seine Wunden. Diese Begegnung gibt Veränderung. Jesus tadelt zwar die Bedingungen des Thomas für den Glauben: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Aber er formuliert gleichzeitig die Hausaufgabe, die Thomas noch zu leisten hat, wenn er zu ihm sagt: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“
Liebe Schwestern und Brüder!
In diesen besonderen Tagen, die unser Land und die Menschen verändern, feiern wir Christen das Osterfest. Wie kann die österliche Botschaft in unserem Herzen ankommen? Indem wir dem Auferstandenen mit offenem Herzen begegnen. Wie die Begegnung mit Jesus den Apostel Thomas verändert und gewandelt hat, so möchte auch uns die Begegnung mit dem Auferstandenen wandeln. Halten wir Jesus unsere Zweifel und Ängste, unsere Sorgen und Nöte, unsere Hoffnungslosigkeiten und Depressionen hin. Mögen die Wunden Jesu, seine Liebe, die er dem zweifelnden Thomas schenkt, auch uns heute verwandeln und unseren Glauben stärken. Möge die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus uns neu Hoffnung und Zuversicht schenken. Wir können sicher sein, auch Papst Johannes XXIII. hat aus der Begegnung mit Jesus, dem Auferstandenen, gelebt. Diese Begegnung hat ihm jeden Tag neu die Kraft gegeben, trotz seiner Zweifel und Anfragen, den Weg als Christ und Papst weiterzugehen und damit zum Segen für die Kirche und für die Menschheit zu werden. Sein Zeugnis gibt uns heute Mut: Wenn wir aus der Begegnung mit dem Auferstandenen leben, dann können auch wir Segen für die Menschen von heute werden. In diesem Sinne uns allen einen gesegneten Zweiten Ostersonntag!
Ihr Pfr. Marcellus Klaus